(...) Barbara Wredes Figuren bieten sich mit ihrer fehlenden Individualität als Projektionsflächen für alle und jeden an. Sie verkörpern Gefühle des Übergangs, den Noch-Nicht oder des Nicht-Mehr. Und so sitzt einer ihrer „Wiederkehrer“ in luftiger Höhe auf einem Sprungbrett: im Zwischenraum von Oben und Unten. Und in diesem Moment scheint ihm sein Gesicht zu entgleiten, angezogen wie von einem Sog aus der Tiefe, in Vorwegnahme des unumgänglichen Falls. Ein Gefühl existentiellen Unbehaustseins, auch im eigenen Selbst, lauert in solchen Blättern.
Seit fast 100 Jahren gilt das Diktum von Paul Klee (1879–1940), dass Kunst nicht das Sichtbare wiedergibt, sondern sichtbar macht. Mit unterkühlter Emotionalität seziert Barbara Wrede in ihren Zeichnungen die unsichtbaren aber umso machtvolleren Ordnungsmuster, in und mit denen wir leben. Ihre Striche wirken dabei wie gefräst – da gibt es kein Suchen und Tasten, sondern immer eine klare Entscheidung zwischen Leere und Form, zwischen Schwarz oder Weiß. Und zwischendrin: Das ganze Welt-Theater.
Aus: Martina Padberg, Der zeichnerische Kosmos von Barbara Wrede, boesner Zeitung, August/November 2020
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